Die Wechseljahre aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin

Wohl die meisten Frauen befällt bei dem Gedanken an die Wechseljahre zumindest eine leichte Beklemmung. Sie befürchten für die Zukunft einen intensiven körperlichen Abbau mit Verlust ihrer körperlichen Attraktivität und Kraft. Dazu kommt eine seelische Belastung, die Frauen über 50 in unserer Gesellschaft durch einen Mangel an beruflicher und privater Wertschätzung oft erfahren müssen. Zu kurz kommt die Anerkennung der weiblichen Reife und der Weisheit, die sich erst mit langer Lebenserfahrung bilden kann. Das Empfinden einer Lebenskrise wird verstärkt durch das Auftreten klimakterischer Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen oder depressive Stimmungsschwankungen.

Die westliche Schulmedizin bietet in dieser Situation an, den Alterungsprozess durch Substitution weiblicher Hormone aufzuhalten. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass dieses Konzept auch funktioniert: zahlreiche Erkrankungen wie Osteoporose, Herz-Kreislauferkrankungen oder auch Mb. Alzheimer können dadurch zeitlich nach hinten verschoben werden.

Die Theorie

Um die Sichtweise der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zu verstehen, muss man zunächst erklären, worum es sich bei der Yin-Yang-Theorie handelt. Der menschliche Körper ist hier eine organische Ganzheit, deren Bedeutung in der gegensätzlichen Beziehung von Yin und Yang liegt, den beiden Aspekten, welche die Beziehung der Dinge zueinander erklären. Diese Theorie findet sich wieder in dem Sprichwort, das „alle Dinge zwei Seiten haben“ oder auch in dem Spruch, „es ist nichts so schlecht, dass es nicht für irgendwas gut wäre“.

Auf den menschlichen Körper bezogen bedeutet diese Theorie, dass alle biologischen Abläufe in uns dann gesund stattfinden, wenn Yin und Yang in Harmonie, das heißt in gegenseitiger Ausgewogenheit bestehen. In Bezug auf die Temperatur im Körper steht Yin für die Kälte und Yang für die Wärme, bezüglich der Tageszeiten ist die Nacht dem Yin zuzurechnen und das Yang dem Tag. Yin bedeutet Ruhe, Yang bedeutet Bewegung, Yin ist der stoffliche Aspekt und Yang der funktionelle Aspekt aller Dinge.

Während der Wechseljahre gerät dieses System vorübergehend in Unordnung.

Aus der Sicht der TCM kommt es zur allgemeinen Abnahme der Yin-Energien. Wenn die Yang Energie erhalten bleibt, aber das ausgleichende Yin fehlt, kommt es zu einem relativen Yang Überschuss. In Bezug auf die Temperatur bildet sich die sogenannte „Yin Mangel-Hitze“. Die Situation kann man gut mit der Abnahme von Öl und Wasser im Motor vergleichen, der sich dann sehr leicht überhitzt. Eben dieses "Überhitzen" wird bei Frauen durch die unterschiedlichsten Beschwerden ausgedrückt. Die häufigsten und bekanntesten sind wiederholte Hitzewallungen, Gefühl von Hitze, übermäßiges Schwitzen, insbesondere nachts, Herzklopfen, Nervosität, Gereiztheit, Überempfindlichkeit, trockener Mund, Schlaflosigkeit mit Erwachen in der Nacht und wilde Träume. Neben der physiologischen, also normalen Yin-Abnahme kann es durch verschiedene Faktoren zu einem zusätzlichen pathologischen (krankhaften) Yin-Verlust kommen. Dazu gehören chronische Überarbeitung, regelmäßiger Schlafmangel, häufiger emotionaler Stress oder langjährige Sorgen sowie körperliche Erschöpfung bei schlechter Ernährung oder nach zahlreichen Geburten. Wie stark die Beschwerden sind, hängt letztlich auch davon ab, wie stark die ursprüngliche Yin-Energie war.

Die Abnahme der Yin Energie kann im westlichen Sinn in etwa mit dem Abnehmen der weiblichen Hormone gleichgesetzt werden. Es kann aber neben dem Yin Verlust auch zum Yang-Verlust kommen, je nach Gewichtung der Energieverhältnisse sind dann die Symptome unterschiedlich. Es können bei der gleichen Patientin sowohl Hitze- als auch Kältesymptome auftreten.

Der zweite Faktor im Klimakterium ist das Nachlassen des Qi der Mitte, wodurch die Produktion und Speicherung von Essenz geringer wird, d.h. es entsteht kein Überschuß mehr, der monatlich abbluten muss. Das Klimakterium mit Sistieren der Blutung ist also ein wichtiger Regulationsvorgang um wertvolle Essenz und Säfte einzusparen und die Energien zu schonen. Statt dessen wird nach chinesischer Vorstellung die Essenz nach oben zum Herzen geführt, um hier das Shen, den Geist zu nähren.

Die westliche Medizin verwendet zur Behandlung der klimakterischen Beschwerden Östrogene.  Diese Behandlung bringt aus der Sicht der chinesischen Medizin den Körper mit einem Trick auf den Gedanken, dass die Ovulation noch immer stattfindet, ernährt und stärkt aber die Essenz nicht. Es handelt sich also um eine rein symptomatische Therapie und nicht um eine ursächlich stärkende Behandlung, die der Organismus der Frau in dieser Zeit eigentlich bräuchte. Die Hormone sollen sozusagen den Motor auf höhere Temperatur einstellen, damit er sich nicht so leicht überhitzt. Sie füllen dem Motor aber weder Öl noch Wasser nach, sodass bei den Frauen "Trockenheit und Hitze" wegen des Mangels an Yin-Essenz weiter dominieren. Dazu passt, dass die meisten Frauen nach dem Absetzen der Hormone in höherem Alter feststellen, dass sie die Phase der Hitzewallungen und die sonstigen typischen Symptome nur vor sich hergeschoben und sich keinesfalls erspart haben.

Kräuterrezepturen 

Die traditionelle chinesische Medizin versucht, die Beschwerden kausal zu behandeln. Traditionell werden dabei Kräuterrezepturen eingesetzt, die vor allem die Yin-Energien nähren, aber immer auch Yang-Energien unterstützen um wieder ein harmonisches Gleichgewicht zu erreichen. Zusätzlich können je nach TCM-Diagnose bei Bedarf noch weitere Krankheitsmuster therapiert werden zum Beispiel durch Ausleiten von Schleim, Bewegung von Qi, Belebung von Blut u.s.w.

Eine Therapie mit chinesischen Kräutern wird durch die gleichzeitige Gabe eines Hormonersatzpräparates nicht behindert, da beide Therapien nach verschiedenen Prinzipien arbeiten. Es dauert ca. zwei Monate bis eine Kräutertherapie zu spürbaren Veränderungen führt und die klimakterischen Beschwerden abnehmen.

Akupunktur

Die Behandlung mit Akupunktur unterstützt die Wirkung der chinesischen Kräuter, indem sie Blockaden löst und den harmonischen Fluss der Yin- und Yang-Energie unterstützt. Die Hitzewallungen werden dadurch günstig beeinflusst, der Schlaf wird wieder erholsamer, Lebensfreude und allgemeiner Antrieb steigen.

Ernährung

Therapien jeder Art, egal ob nach westlicher oder fernöstlicher Lehre können vor allem dann optimal wirken, wenn gleichzeitig eine gesunde, der Lebensphase angepasste Ernährung praktiziert wird, welche die Gesundheit unterstützt. Der Körper braucht in den Wechseljahren weniger Nahrung und hält meist hartnäckig am vorhandenen Gewicht fest. Abnehmen wird daher mit zunehmendem Alter immer schwieriger. Wer in den Wechseljahren weiter so viel isst wie bisher, wird zwangsläufig zunehmen - im Schnitt ein knappes Kilo pro Jahr. Die Verdauung wird mit zunehmendem Alter empfindlicher, viele Sachen werden nicht mehr so gut vertragen wie mit jüngeren Jahren. Insbesondere stellen viele Frauen eine höhere Unverträglichkeit gegen Zucker, Milchprodukte, Hefe und manchmal auch gegen Getreide fest. Blähungen, Flatulenz, Obstipation, ein verhärteter gespannter Oberbauch nach dem Essen oder direkt folgende Übelkeit nach dem Essen sind dafür typische Symptome.

Eine gut funktionierende Mitte ist die Voraussetzung dafür, dass Energien nicht unnötig verringert werden. Es kommt also zuerst darauf an, seine Mitte zu pflegen. Außerdem sollte die Ernährung dafür sorgen, dass die Säfte gut fließen können, also schlackenarm sein und nicht verschleimen.

Weiterhin spielen spezielle Nahrungsmittel, die die Yin-Energien stützen, eine Rolle. Wir können im Rahmen der TCM-Anamnese Ihre Ernährungsgewohnheiten besprechen und Optimierungen überlegen.

Viele Frauen, die das Gefühl entwickeln, ihre Ernährung gesünder gestalten zu müssen als bisher, stellen auf vegetarische Kost um. Dabei gibt es aber aus chinesischer Sicht Probleme, die im Klimakterium zu den Störungen beitragen können. Viel Rohkost kühlt das Yang zu stark ab. Dies gilt ebenso für Milch und Milchprodukte sowie Tofu. Wenn Fisch und Krabben als starker Yang-Unterstützer auch wegfallen, fehlt eine ausreichende Unterstützung des Verdauungsfeuers. Das trifft besonders Frauen, die zu Übergewicht tendieren. Sie haben konstitutionell oder erworben ein zu schwaches Yang.
Die dünnen oder gar mageren Frauen neigen dazu, einen absoluten Mangel an Yin zu entwickeln, und das passiert ebenfalls schneller, wenn sie sich ausschließlich vegetarisch ernähren. Das Yin wird nämlich am intensivsten durch tierische Produkte wie Innereien und Fleisch (mit Knochen) ernährt. Schwächer wirken pflanzliche Nahrungsmittel wie Walnüsse, schwarzer Sesam, Kastanien, Süßkartoffeln, schwarze Sojabohnen und Linsen, d.h. also Nahrungsmittel, die man nicht gerade jeden Tag zu sich nimmt. Es entsteht mit vegetarischer Kost daher schnell eine Mangelversorgung des Yin.

Sport

Klimakterische Störungen lassen sich oft schon durch Sport und damit einer Aktivierung des Energie- und Säfteflusses ohne substanzielle Yin-Stützung verbessern. Dies ist also eine Therapie, die zunächst ohne Kräuter auskommt. Qi-Fluss kann zum Beispiel durch Qi Gong in Bewegung gebracht werden. Die meisten Frauen brauchen darüber hinaus aber eine kräftigere körperliche Anstrengung, um die eigenen Säfte in Schwung zu bringen. Man kann das vergleichen mit einem Fluss mit Nebengewässern und toten Armen, die nur bei Hochwasser mal wieder richtig durchspült werden. So bringt eine körperliche Anstrengung auch stagnierende Säfte in der Peripherie in Bewegung. Bei Austritt von Schweiß durch die Haut ist dies gegeben und das Schwitzen bleibt nicht mehr allein den Hitzewallungen überlassen. Ideal ist es, jeden Tag mindestens 15-20 Minuten im Rahmen einer moderaten körperlichen Anstrengung zu schwitzen. Der Sport darf allerdings nicht zur dauerhaften Erschöpfung führen, dann ist in jedem Fall auch eine substanzielle Nährung des Yin durch Kräutertherapie notwendig.

Einen anderen Therapieansatz hat das „Hormon-Yoga“. Hier soll durch spezielle Übungen die Östrogenproduktion in den Eierstöcken wieder angeregt werden. Dadurch werden klimakterische Beschwerden gemildert, es soll aber auch eine Prophylaxe für Östrogenmangelfolgen wie Osteoporose und Herz-Kreislauferkrankungen darstellen.

nach oben